Heuchelei

ibn azem

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Bismillah,

:salam2:
[SIZE=+4]Heuchelei[/SIZE]

Sura Al-‘Anqabut [29:11]:
"Und Allah kennt ganz gewiß diejenigen, die glauben und Er kennt (auch) ganz gewiß die Heuchler."

Heuchelei ist eine der schlechtesten Charaktereigenschaften die ein Mensch besitzen kann. Im Qur’an finden wir häufig den Begriff "munafiq". Dieser Ausdruck wird von "nafaqa" abgeleitet. Mit "nafaqa" wird ein unterirdischer Gang bezeichnet, dessen Eingang und Ausgang verschieden sind. Im übertragenen Sinn bezeichnet "munafiq" einen doppelgesichtigen Menschen, der immer versucht sich vor einer genauen Stellungnahme zu drücken, in dem er seine Verhaltensweise dem anpaßt, was er für sich selbst am vorteilhaftesten hält. Da ein solcher Mensch immer vorgibt moralisch besser zu sein als er in Wirklichkeit ist, kann der Begriff "munafiq" grob mit "Heuchler" übersetzt werden. Allerdings wird dieser Ausdruck im arabischen auch für Personen angewandt, die keinen festen Standpunkt haben und sich selbst betrügen.​

Heuchler könnte man auch als "Blender" bezeichnen. Sie zeigen ein angenehmes Äußeres und versuchen das Vertrauen eines jeden zu gewinnen. Sie haben keine Skrupel die Unwahrheit zu sagen und jedem zu verstehen zu geben, daß sie mit ihm einer Meinung sind. Sie benutzen schöne Worte und schmeicheln und lügen ohne Hemmungen. Durch diesen äußeren Eindruck verblenden sie ihr häßliches Inneres und es gibt leider zu viele Menschen, die gerade in unserer heutigen Zeit darauf reinfallen. Das liegt vor allem daran, daß heute jeder nur an sich und seine Begierden denkt und dabei über die Gebote und Verbote Allahs (swt)hinwegsieht und somit Gefahr läuft selbst ein Heuchler zu werden.
Dies wird in der Sura An-Nisaa‘ verdeutlicht [4:61]:
"Und wenn ihnen gesagt wird: >Kommt doch herbei zu dem, was Gott (als Offenbarung) herabgesandt hat und zum Gesandten,< dann siehst du, wie die Heuchler abweisend dir den Rücken kehren."

Wer nicht völlig davon überzeugt ist, daß Allah und das Jenseits existieren, der kann das, was er über Moral und Unmoral gelernt hat, nicht von seinen Begierden und Vorlieben unterscheiden und orientiert sich dadurch oft bereitwillig "an der Stimme des Bösen". Auch wenn er halbherzig zugesteht, daß die "meisten" auf dem Qur’an beruhenden moralischen Lehren der Wahrheit entsprechen, hält er sich doch von diesen Lehren fern, sobald sie in Konflikt mit dem kommen, was ihm persönlich als begehrenswert erscheint. Auf diese Weise wird er ein Heuchler im tiefsten religiösen Sinne des Wortes. Auch in der Sura Al-Baqara finden wir ein Beispiel für Menschen die zwar an Allah (swt) glauben, aber dieses eben nur halbherzig tun [2:19]:
"Oder (es ist) wie ein Regenguß vom Himmel voller Finsternis, Donner und Blitz. Sie stecken ihre Finger in die Ohren in Todesfurcht vor den Donnerschlägen. Und Allah umfängt die Ungläubigen."

Mit dieser Parabel dürften Heuchler gemeint sein, die von Zweifeln, Argwohn und mangelndem Glauben heimgesucht werden. Zwar sind sie nicht ganz und gar Ungläubige, doch führen sie nur soweit ein islamisches Leben, als es für sie keine Schwierigkeiten mit sich bringt. Während der Islam (hier als Regenguß bezeichnet) der Menschheit Segen brachte, stellte er doch in Form von Finsternis, Donner und Blitz - die hier für Behinderung, Gefahr und Anfeindung stehen mögen – hohe Anforderungen an die Opferbereitschaft seiner Anhänger. Wenn immer die Aussichten etwas besser wurden, begaben sie sich auf den Vormarsch für den Islam. Doch sobald die Zeiten schlechter wurden und Anforderungen gestellt wurden, die gegen ihre eigenen Interessen, ihren Aberglauben und ihre Vorteile gerichtet waren, blieben sie in völliger Bestürzung wie angewurzelt stehen. Allah (swt) hätte ihnen wie den Heuchlern die Fähigkeit entziehen können, die Wahrheit zu sehen. Doch Er gewährte ihnen Aufschub und gibt ihnen die Möglichkeit der Einsicht, so daß sie vielleicht eines Tages den Mut finden werden, sich in guten wie in schlechten Zeiten für den Islam einzusetzen.

Daraus sollte ein jeder Muslim die Konsequenz ziehen, mit seiner Religion und sich selbst kompromißlos umzugehen, um die Heuchler in seiner Umgebung zu erkennen und vor allem sich zu schützen ihnen anzugehören. In der heutigen Zeit ist es für Muslime manchmal nicht so einfach, Versuchungen zu widerstehen bzw. Sünden zu vermeiden, weil man dadurch oft benachteiligt ist. Aber wer fest genug an Allah (swt) und seine Unterstützung glaubt, dem fällt es nicht schwer, den rechten Weg ohne Kompromisse zu gehen.

Sura Al-Munafiqun [63:3]:
"Dies, weil sie die Zeichen Gottes anerkannten, sie danach aber wieder leugneten. So wurden ihnen die Herzen versiegelt, so daß sie nicht begreifen."
Die Heuchler haben den Glauben kennengelernt und begriffen, worum es dabei geht, sich dann aber innerlich für den Unglauben entschieden. Die Äußerung "Allah hat ihnen ihre Herzen versiegelt" finden wir im Qur’an häufig. Von Menschen die an Allah (swt) zweifeln, wird dies oft so verstanden, daß die deren Herzen versiegelt wurden ja nichts dafür können, daß sie Ungläubige bzw. Heuchler sind, "weil Allah das ja so wollte". Ihre Herzen wurden jedoch erst dann versiegelt, als sie sich innerlich entschlossen, im Unglauben zu verharren, während sie äußerlich ihren Glauben bekannten. Damit verloren sie die Fähigkeit zum aufrichtigen Glauben.

Ein weiteres Beispiel dafür wie es Heuchlern ergehen kann, wird in der Sura Al-Baqara aufgeführt [2:17-18]:
"Ihr Gleichnis ist wie das Gleichnis desjenigen, der ein Feuer anzündete. Als es nun alles um ihn herum erleuchtet hatte, nahm Allah ihr Licht hinweg und ließ sie in tiefer Finsternis zurück, so das sie nicht sehen. [17] Taub, stumm und blind (sind sie), darum kehren sie nicht um. [18]"
Dieser Mensch wollte Licht haben, also entfachte er ein Feuer. Doch es wurde zu einer gewaltigen Flamme, die von vielen beifällig bestaunt wurde. Aber sie hielt nicht lange an. Als die Flamme dann unvermeidlicherweise erlosch, wurde die Finsternis schlimmer als zuvor und sie alle kamen plötzlich vom Weg ab. Ebenso mögen sich Heuchelei, Betrug, anmaßender Kompromiß mit dem Bösen, Zynismus oder Doppelzüngigkeit zeitweiligen Beifalls erfreuen. Doch das echte Licht des Glaubens und der Aufrichtigkeit fehlt und so müssen schließlich alle, die diesen Weg einschlagen, in die Irre gehen. Es war Muhammad (sas), der als letzter Prophet das Licht der Wahrheit entzündete, welches Recht von Unrecht, Tugend von Laster unterschied und jene rechtleitete, die ihre Fähigkeiten richtig zu gebrauchen wußten. Die Heuchler hingegen, die von ihrer Selbstsucht geblendet waren, konnten den rechten Weg selbst mit Hilfe dieses Lichtes nicht erkennen. Sie beraubten sich somit ihres eigenen Sehvermögens und blieben in der Finsternis zurück. Deshalb sind sie taub, stumm und blind und können die Wahrheit und das Gute weder hören noch aussprechen noch sehen. Für sie gibt es keine Möglichkeit der Umkehr. Dies ist ein Beispiel dafür, daß Heuchler selbst für ihre Sündhaftigkeit Verantwortung tragen müssen und es nicht an Allah (swt) liegt, daß sie zu Heuchlern wurden (astaghfirullah).

... Abdullah Ibn Amr, Allahs Wohlgefallen auf beiden, berichtete, daß der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, sagte: Es gibt vier Eigenschaften, welche den Menschen zu einem Heuchler brandmarken, wenn er sich diese aneignet; und wenn er nur eine von diesen vier Eigenschaften besitzt, der besitzt solange eine Eigenschaft der Heuchelei, bis er diese von sich abwirft; (und dies ist der Fall), wenn er spricht, lügt er, wenn er etwas verspricht, erfüllt er es nicht, und wenn er eine Abmachung eingeht, handelt er untreu, und wenn er streitet, verhält er sich maßlos unverschämt. [Bu2459]

In diesem Ausspruch des Propheten (sas) werden die typischen Eigenschaften eines Heuchlers aufgezeigt. Damit wird es für uns etwas leichter diesen zu erkennen. Aber wie uns schon bekannt ist, können sich Heuchler sehr gut verstellen. Nach außen hin erklären sie sich immer als auf der Seite von Recht und Wahrheit stehend, während sie insgeheim mit Ungerechtigkeit und Übel paktieren und die Ungerechtigkeit sogar zu ihrem Schiedsrichter machen, wenn damit ihren persönlichen Interessen gedient ist. Heuchler sind stets bereit, die Entscheidungen des islamischen Gesetzes anzunehmen, wenn diese zu ihren Gunsten ausfallen, andernfalls orientieren sie sich nach jedem beliebigen Gesetz, Brauchtum oder Gerichtsentscheid, von dem sie eine Bestätigung ihrer persönlichen Interessen erwarten. Genau diese Tatsache macht sie schon fast gefährlich für gutgläubige Menschen. Sogar Muhammad (sas) mußte von Allah (swt) vor ihnen gewarnt werden:
... Ibn Umar, Allahs Wohlgefallen auf beiden, berichtete: Als Abdullah Ibn Ubayy starb, kam sein Sohn Abdullah zum Gesandten Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, und fragte, ob ihm der Prophet sein Hemd geben würde, in das er den Leichnam seines Vaters hüllen könnte. Und er gab ihm auch ein Hemd. Dann fragte der Sohn, ob der Prophet das Totengebet für seinen Vaters verrichten würde. Da stand der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, auf, um für ihn das Gebet zu verrichten. Gleich darauf stand Umar auf, packte den Propheten an seiner Kleidung und sagte: »Betest du für ihn, wo dein Herr dir verbot, das Totengebet für ihn zu verrichten?« Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte: »Wahrlich, Allah stellte es mir zur Wahl, indem Er (im Qur’an 9:80) sagte: >Ob du für sie um Verzeihung bittest oder nicht um Verzeihung bittest, oder ob du siebzig mal für sie um Verzeihung bittest, Allah wird ihnen niemals verzeihen.< und ich werde für sie diese siebzig mal überschreiten.« Umar sagte: »Er ist doch ein Heuchler!« Anschließend verrichtete der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, doch das Totengebet für ihn, worauf Allah folgenden Qur’an-Vers (9:84) offenbarte: >Und bete nie für einen von ihnen, der stirbt, noch stehe an seinem Grab ...< [Bu 4670]

Hier wird deutlich die menschliche Natur des Propheten (sas) gezeigt und wie er sich mitleidig und voller Sorge um das Dasein der Menschen verhielt. Jedoch erkennt man auch sofort wie sehr Allah (swt) die Heuchler verabscheut, indem er verbietet für sie das Totengebet zu verrichten sowie dessen Gräber zu besuchen.

Sura Al-Munafiqun [63:5]:
"Wenn zu ihnen gesprochen wird: >Kommt her, damit Allahs Gesandter um Verzeihung für euch bittet,< wenden sie ihre Köpfe weg, und du siehst, wie sie sich hochmütig abwenden."
Wie alle anderen Vergehen, so kann auch Heuchelei vergeben werden, wenn der Betreffende sein Verhalten bereut und sich bessert, vorausgesetzt daß der Wille und die ernsthafte Bereitschaft da ist, sich vom Bösen abzuwenden und Allahs (swt) Gnade zu suchen. Im hier erwähnten Vers waren diese Voraussetzungen nicht gegeben. Sie weigerten sich nicht nur zum Propheten (sas) zu kommen und um Vergebung zu bitten, sondern schüttelten auf die Einladung hin nur arrogant den Kopf und hielten es für unter ihrer Würde, dem Propheten auf diese Weise zu begegnen. Dies weist eindeutig darauf hin, daß sie keine gläubigen Menschen sind.

Sura Al-Munafiqun [63:8-9]:
"Hast du nicht gesehen, wie diejenigen, denen heimliche Absprachen verboten wurden, abermals tun, wovon sie Abstand nehmen sollten, wobei sie sich heimlich miteinander absprechen zu Ungehorsam und Feindseligkeit und Auflehnung gegen den Gesandten? Wenn sie zu dir kommen, dann verwenden sie nicht das Grußwort, mit dem Allah dich gegrüßt hat. Unter sich selbst aber sprechen sie: >Warum straft Allah uns nicht für das, was wir reden?< Eine ausreichende Strafe für sie ist das Höllenfeuer, in dem sie brennen werden. Welch ein schlimmes Ende! [8] O die ihr glaubt, wenn ihr vertraulich etwas miteinander absprecht, dann verabredet euch nicht zu Ungehorsam, und Feindlichkeit und Auflehnung gegen den Gesandten, sondern verabredet euch zu Wohltatan und zur Gottesfurcht und fürchtet Allah, bei dem ihr alle (dereinst) versammelt werdet. [9]"

An diese Gläubigen, die Allah (swt) in eine Reihe mit dem Gesandten (sas) stellt und seiner Ehre teilhaben läßt, richtet Er diesen Aufruf, auf daß sie zu ihrer hohen Stellung aufsteigen und sich von allen Eigenschaften der Heuchler reinigen. Das vermögen und die Kinder hat Allah (swt) uns gegeben um uns zu helfen, seine Statthalter auf der Erde zu werden und nicht, damit wir uns ausschließlich mit ihnen beschäftigen und den Sinn unseres Lebens vergessen, nämlich, daß wir uns ehrlich bemühen, uns die Eigenschaften Allahs (swt) nach unserem menschlichen Vermögen anzueignen. Das gelingt aber nur, wenn wir die Verbindung mit unserem Herrn aufrecht erhalten. Wer diese Verbindung vernachlässigt, verliert sich selbst und damit verliert er alles.
 
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